Auf der diesjährigen Jahrestagung der Milton Erickson Gesellschaft hatte ich die große Ehre, als Gastgeber Prof. Dr. Christian Schubert bei seinem Mittagsvortrag zu begleiten. Prof. Schubert ist einer der führenden Psychoneuroimmunologen im deutschsprachigen Bereich und er hatte uns angeboten über sein Fachgebiet in direkten Bezug zur Hypnotherapie zu referieren. Ich hatte bereits bei der Vorbereitung einer Forschungsarbeit zum Thema „Hypnosetherapie zur Unterstützung von Brustkrebspatientinnen“ Kontakt zu Prof. Schubert, da wir hier auch die Auswirkungen unserer Therapien auf das Immunsystem untersuchen wollten und war deshalb sehr gespannt auf seinen Vortrag.
Nach einer kurzen Einführung in die Psychoneuroimmunologie und das Bio-Psycho-Soziale Modell kam Prof. Schubert bereits schnell zu einem der Kernpunkte, der Auswirkung von Stress auf das Immunsystem. So führten frühkindliche Belastungen, zwischenmenschliche Konflikte und Einsamkeit zu einer Form von Stress, der zu messbaren Entzündungsreaktion im Gehirn führt. Hier würden Cortikosteroide und proimflammatorische Zytokine wie Interleukin-6 (IL-6) freigesetzt, welche wiederum maßgeblich mit Gesundheitsproblemen im Alter, wie Osteoporose, Bluthochdruck, Diabetes Typ 2 und Krebs assoziiert seien. So führe bereits eine mäßige Erhöhung der IL-6-Konzentration im Blut zu einer verdoppelt des Risikos bei über 65-Jährigen innerhalb von 5 Jahren zu sterben. Auch führten Entzündungszytokine wie IL-6 oder Tumor Nekrose Faktor α (TNFα) zu sogenanntem „Sickness Behavior“ mit Erschöpfung, Appetitverlust, Schlafstörungen, Traurigkeit, Interessenslosigkeit, Konzentrationsstörungen und sozialem Rückzug.
Verschiedene Studien hätten inzwischen zeigen können, dass wir die Möglichkeit haben, mit Hypnotherapie auf die Ausschüttung von solchen proinflammatorischen Zytokinen Einfluss zu nehmen. So konnte 2002 von einer Arbeitsgruppe um Gruzelier gezeigt werden, dass sich die Rezidivwahrscheinlichkeit von genitalem Herpes (HSV) um den Faktor 1,66 mit Hypnosetherapie vermindern ließ, was mit einer gleichzeitigen messbaren Erhöhung der HSV-spezifischen Lymphokin-aktivierte Killerzellen (LAK) einherging. Auch konnte 2008 von Kovacs gezeigt werden, dass eine einzige Entspannungshypnose bereits sehr starke Auswirkungen auf die Genexpression von Interleukinen und TNFα hat.
Was die Forschung auf diesem Gebiet allerdings deutlich erschwere sei die Einzigartigkeit des Menschen. Da jeder Mensch ein wenig anders und insbesondere unterschiedlich schnell auf äußere Reize reagiere, sei es schwierig, spezifische immunologische Effekte von Interventionen darzustellen und somit allgemein gültige Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zu postulieren. Hier müsse man viel mehr Einzelfallstudien durchführen um hierüber langfristig ein gutes Bild über die Zusammenhänge zwischen Therapie, Zytokin und Krankheit zu bekommen.
Ich hatte in diesem Vortrag viele „Aha-Momente“. Ich war immer schon davon ausgegangen, dass die Hypnosetherapie direkte Auswirkungen auf das Immunsystem hat. In diesem Vortrag wurden die einzelnen Faktoren allerdings für mich gut verständlich benannt und auch die Zusammenhänge viel deutlicher. Die „immunologische Blackbox“ Patient wurde für einen Moment ausgeleuchtet und ich kann von meiner Seite aus heute sagen, dass ich jetzt noch hoffnungsvoller bin, wenn ich mit Krebspatienten arbeite.